- Speaker #0
Hallo und herzlich willkommen zu Patriarchy What The Fuck, ein Podcast über Sexismus. Mein Name ist Alina und ich spreche einmal im Monat mit Expertinnen, Autorinnen und Aktivistinnen über das Thema Sexismus in all seinen Facetten. Hallo und herzlich willkommen. Heute ist Katharina Linnepe, Moderatorin, Autorin, Komedienne und feministische Stimme im Netz bei mir zu Gast. Mit ihrer Instagram-Serie, wenn das Patriarchat in Therapie geht, trifft sie einen Nerv zwischen scharfer Gesellschaftskritik, trockenem Humor und aktivistischer Haltung. Auf der Bühne wie online setzt sich Katharina Linnepe für Vielfalt, Gerechtigkeit, Demokratie und Empathie ein. Ihr Sachbuch, wenn das Patriarchat in Therapie geht. ist im Frühjahr 2025 im Belz Verlag erschienen. Hallo Katharina, schön,
- Speaker #1
dass du da bist. Hallo Alena, ich freue mich auch riesig, dass ich hier sein darf und vielen, vielen Dank auch schon für die schöne Vorstellung.
- Speaker #0
Ich habe schon direkt eine erste Frage, eine ganz einfache Frage an dich, nämlich die Frage, worum geht es in deinem Buch?
- Speaker #1
Ja, es ist die Frage, ob die Frage dann wirklich so einfach ist, denn da ist viel los. Das kann man schon mal sagen. Genau, du hast es schon sehr schön beschrieben. Wenn das Patriarchat in Therapie geht, heißt es und es basiert auf einer Instagram-Serie. Es war eigentlich erst mal nur ein circa dreiminütiges Video, was ich mal rausgebracht habe. Und das war ein Gedankenexperiment. Ich habe mir mal überlegt, wie ist es, wenn wir den Spieß umdrehen? Wenn nicht wir in Therapie gehen, sondern unser Gesellschaftssystem. Denn ich finde, das hat ein paar Probleme. Und da könnten wir mal ins Gespräch kommen. Und ja, ich saß dann in meiner Rolle als Therapeutin, so habe ich mich dann vor mein Ringlicht und meine Kamera gesetzt, saß ich dann da, habe mir eine große Brille aufgesetzt und einen Rollkartenpulli in schwarzen angezogen, so ein bisschen Klischee gefahren der Therapeutin und habe mitgeschrieben fleißig und zugehört, was mein Patient, in dem Fall das Patriarchat, so mir erzählt und für Glaubenssätze hat und mit welchen Problemen es zu mir kommt. Und das hat einen Nerv getroffen. Es ist dann eine Serie draus geworden. Die ersten Folgen sind sehr, sehr schnell viral gegangen und irgendwann kamen auch Verlager auf mich zu und fragten mich, hat das Potenzial für ein Buch? Hätten sie Interesse daran? Ich hatte sehr, sehr großes Interesse und hatte auch schon sehr, sehr viele Ideen. Ja, bin sehr dankbar, dass ich dann die Möglichkeit hatte, ein ganzes Buch daraus zu machen und quasi eine ganze Therapiereise mit unserem Gesellschaftssystem zu skizzieren. Und da kam dann einiges zum Vorschein. Ich hatte dann auf Papier mehr Möglichkeiten, in die Tiefe zu gehen mit dem Patienten, quasi eine tiefenpsychologische Auseinandersetzung. und auf der einen Seite hat es halt den Humor. Dieser satirischen Videos. Ich fange auch immer an mit dialogischen Einstiegen in die einzelnen Kapitel. Lasse also den Patienten zu Wort kommen und dann arbeiten wir uns an dem ab, was da zu Tage kommt. Und ja, es beschreibt wirklich den ganzen Therapieverlauf vom Erstgespräch bis hin zu über eine Art Diagnose bis hin zu der Entscheidung, machen wir weiter oder nicht.
- Speaker #0
Ja, das Buch ist ja so geschrieben, dass es ist, glaube ich, aus der Wir-Perspektive geschrieben.
- Speaker #1
Also die Lesenden,
- Speaker #0
die Leserinnen sind die TherapeutInnen und treffen eben auf diesen Patienten und der Patient ist das Patriarchat. Was für eine Persönlichkeit hat dieser Patient? Wie könnte man den beschreiben?
- Speaker #1
Ja, das ist eine sehr interessante, sagen wir es mal so, also das ist schon fast ein Euphemismus. Es ist beschönigend, wenn ich jetzt interessant sage. Man könnte auch sagen, sehr schwierig und sehr komplex und vielschichtig. Schön, dass du es auch ansprichst, eben die Wir-Perspektive. Das war mir ganz wichtig, dass wir sagen, es ist so eine Art Mitmachbuch. Ja, also wir sind alle in dieser therapeutischen Rolle und auch in der analytischen Rolle und verfolgen auch diesen Analyse-Strang, den ich versuche, humorig. darzustellen aus einer zum einen gesellschaftswissenschaftlichen Perspektive, da komme ich her, das ist mein Studium gewesen, aber auch in Verbindung. Mit einer psychologischen Brille. Das machen wir gemeinsam. Und da lade ich alle zu ein, dass wir das auch in einer Art Rollenspiel tun. Naja, und die Rolle des Patienten, des Patriarchats ist eine sehr komplexe und problembehaftete. Ich formuliere es mal so. Erstmal tritt das Patriarchat sehr selbstbewusst auf und auch mit wenig Wissen darum, was eigentlich in einer Psychotherapie stattfinden soll. Also ich glaube, dieser Patient hat erstmal falsch verstanden, worum es da geht. Kommt da erstmal so in dieses Erstgespräch rein und denkt sich, ja, das ist hier so ein bisschen Image aufhübschen. Das Grundproblem, mit dem der Patient zu uns kommt, ist, irgendwie sinken die Beliebtheitswerte gerade. Und alle reden da auch so öfter über diesen Feminismus und all diese Sachen und beanspruchen irgendwie gleiche Rechte für alle und individuelle Sachen und so und Gefühle darüber reden auch immer mehr. Versteht der Patient nicht so ganz und denkt sich, okay, ich brauche da irgendwie Unterstützung, um das zu verstehen und dann irgendwie eine andere Strategie zu fahren, aber an meinen Mustern festzuhalten. Denn das ist ja eine Führungsposition, die ich da innehabe. Seit 10.000 Jahren hat doch immer irgendwie gut funktioniert. Ich habe mich auch immer neu erfunden und so können wir doch eigentlich weitermachen. Das ist die Ausgangssituation und das ist natürlich eine recht schwierige, damit zu arbeiten als
- Speaker #0
Therapeutin. Der will die Therapy Washing machen. Absolut,
- Speaker #1
genau das. So sieht es aus und das ist natürlich keine gute Grundlage. Und ja, und wie sich dieser Patient dann ansonsten darstellt, ist es auch nicht sehr sympathisch. Also ich komme dann nach diesem Erstgespräch, wir kommen dann zu der Schlussfolgerung, dass da einige knallharte Persönlichkeitsstörungen vorliegen. Und zwar ist das ein Dreigestirn an Persönlichkeitsstörungen. Das ist die Psychopathie, das ist der Narzissmus und der Machiavellismus. Ich umreiße es nur ganz kurz. Mit den meisten Begrifflichkeiten außer dem Machiavellismus haben wir, glaube ich, schon mal irgendwo Kontakt aufgenommen. Auch auf Social Media sieht man ja immer mehr Videos und Reels und so weiter und so fort darüber, was sowohl PsychopathInnen, aber ja, häufig sind es dann doch männliche Personen, die diese Probleme betreffen. Oder auch Narzissten, Narzisstinnen, eben was das ausmacht. Und diese Wesenszüge begegnen uns in Beschäftigung mit dieser Gesellschaftsordnung, wenn sie denn nur eine einzige Person wäre, sehr, sehr häufig. Und der Machiavellismus kommt auch noch mit rein. Da geht es sehr viel um Machtstreben, um auch Skrupellosigkeit. Und alles mit einem sehr selbstgerechten Blick auf die Welt. Ich habe einen Führungsanspruch, ich weiß, wo es lang geht. und dafür darf ich Dafür ist alles erlaubt, also sehr moralbefreit. Ich darf alle manipulieren und eben skrupellos durch die Weltgeschichte gehen. Und das Spannende ist, diese drei Persönlichkeitsstörungen treffen häufiger auch in der realen Welt zusammen auf. Und dann nennt man sie dunkle Triade und das ist auch wirklich so duster, wie es klingt. Das ist wirklich eine sehr schwierige. schwierige Persönlichkeitsstruktur oder Kombination. Und das Interessante ist eben, dass man diese drei Persönlichkeitsarten oder Störungen antisoziale Persönlichkeitsstörungen nennt. Und das fand ich sehr interessant, wenn wir uns unsere Gesellschaftsordnung ansehen, dass sie Wesenszüge von Antisozialen... Persönlichkeitsstörungen aufweist. Und da frage ich mich, wie kann eine Gesellschaftsordnung so antisozial sein? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Da müssen wir mal genauer hingucken.
- Speaker #0
Ganz konkret, wie verhält sich dieser Patient? Kannst du ein paar Beispiele nennen?
- Speaker #1
Also wenig einsichtig, das sowieso. Grundsätzlich sieht sich das Patriarchat erstmal im Recht und als großartig. Da haben wir diese narzisstische Struktur. Ich bin ein Leader. Ich habe den totalen Anspruch, diese Menschen unter mir zu beherrschen und diese Menschen müssen. eine Ordnung haben und ich stelle diese Ordnung her. Diese Ordnung geht entlang an Geschlechterkategorien dann klassischerweise und so weiter. Und diese Menschen müssen sich für mich abarbeiten. Und da kommt schon zum Tragen, dass Empathie nicht so viel vorhanden ist. Also weder das Mitfühlen noch das Nachvollziehen, was ein Individuum beschäftigt. Das sind so die einzelnen Dinge und es ist ein sehr verachtender Blick. Auf Menschen. Und das sieht man dann auch in den Gesprächen mit der TherapeutInnenrolle. So nach dem Motto, ach Mensch, also gleich mal Grenzüberschreitungen überall und Übergriffigkeiten. So was wie, auch Verklärungen sind zum Teil dabei. Solche narzisstischen Lovebombing-Verklärungen von wegen, ach Mensch, toll, also was sie da so erzählen nach dem Motto, ganz toll, wir sind uns so ähnlich. Gehen wir heute Abend Abendessen? Ich verstehe, das war der Lieblings- Das war,
- Speaker #0
glaube ich, ich glaube, das ist direkt in der ersten Therapiesitzung, am Ende der Therapiesitzung, man denkt so, oh mein Gott, was ist das für ein Kerl? Und da komme ich gleich noch drauf zurück, weil ich habe schon natürlich Menschen auch vor Augen gehabt. Und dann am Ende sagt er dann so, ja, es hat doch irgendwie ganz gut zwischen uns geklappt. Lass uns doch mal was... trinken gehen heute Abend. Ich lade sie zum Essen ein, ich hole sie dann einfach um 20 Uhr ab. Also wenn man sich so denkt, wie bitte? Und gleichzeitig ist es so real. Und da habe ich gedacht, dass sowas kann auch nur eine Person schreiben, die sowas auch erlebt hat. Also ich glaube, sowas kann jetzt irgendwie Manfred nicht so, also Manfred könnte so ein Buch nicht schreiben. Weil Manfred ist eigentlich die Person, die ich mir vorgestellt habe als Patient. So ein bisschen. Ich finde, der hat so ein bisschen was von Friedrich Merz auch. Also... Und wenn du halt selber dieser Patient bist, kannst du so ein Buch halt nicht schreiben, weil du halt dieses Verhalten ja als völlig normal wahrnimmst und auch gar nicht problematisch. Und das war dieses, man muss irgendwie lachen und man wird sich bewusst, dass es eigentlich nicht lustig ist und dass einem das Lachen im Halse stecken wird. Und das mochte ich so gerne an diesem Buch. Dieses so Lachen und dann Moment mal, Moment mal und dann muss man wieder einen Schritt zurückgehen und sagen so, okay, krass. Und vor allem, dass es einem immer so bekannt vorkommt. Also dass einem halt dieses Verhalten so bekannt vorkommt, das zeigt halt ja auch, was es einfach strukturell auch hat, dieses Verhalten.
- Speaker #1
Genau, absolut. Ja gut, dass du das ansprichst auch. Dieses Lachen, was im Halse stecken bleibt, das war eben auch meine Hoffnung durch diese. Ja, diese komödiantischen Aspekte, auch diese Einstiege, diese dialogischen Einstiege in die Kapitel und so weiter, dass diese humorige Brechung stattfindet. Und wie du auch sagst, man muss es selber irgendwie erlebt haben oder man hat irgendwie, man eben ohne das zweite N, diesen reichen Erfahrungsschatz solcher Situationen im Leben. Wie du sagtest, Manfred mit Manni oder wie sie alle heißen oder Helmut oder weiß ich nicht. Man hat das alles im Gepäck und ich versuche es alles zusammenzupacken zu einer fiktiven Person, um die strukturellen Gegebenheiten abzubilden und gleichzeitig, dadurch, dass man auch drüber lachen kann, auch einen Spiegel vorzuhalten. Also auch eine Möglichkeit zu geben, sich damit zu verbinden, wenn man es eben nicht oder nicht so häufig. aufgrund einer privilegierten Situation in diesem System erlebt, aber dann trotzdem mal drauf guckt und sagt, oh, das ist ja irgendwie unangenehm, aber mit dem Augenzwinkern, um erstmal einen Einstieg zu kriegen und dann können wir in die Tiefe gehen und dann wird es eben auch unangenehm. Aber erstmal einen Einstieg zu finden über den Humor, das war meine Hoffnung, dass das funktionieren könnte. Und ja, du sagst es ganz richtig, in diesem System, im Patriarchat gibt es Menschen, die so privilegiert sind, dass sie diese Erfahrungen nicht tagtäglich machen oder sie nicht so wahrnehmen. Es ist einfach eine andere Lebensrealität. Zugleich schadet das Patriarchat uns allen als Individuen und unseren Seelen. Deswegen auch der psychotherapeutische Ansatz, den ich da so wähle oder diese Plattform. Wir sitzen in einem Therapieraum. Das Patriarchat macht uns alle kaputt. In anderer Art und Weise. Aber dieses Verlangen des Systems, sich zu fügen und alles, was uns als Individuum ausmacht, zu verstellen, dieses Verlangen des Patriarchats betrifft uns alle. In allen Geschlechterformen und das ist mir eben auch ganz wichtig, deswegen gibt es da eben auch ein bestimmtes Kapitel, was sich eben der Rolle des Mannes, was auch immer das sein soll, aber so wie es sich das Patriarchat, den Mann vorstellt, was das eben ausmacht, diese Rolle und diese Rollenzuweisungen und Funktionen, an denen sich männlich sozialisierte Personen abarbeiten müssen. Und das ist jetzt auch nicht gerade so das, was man sich wünscht, denke ich.
- Speaker #0
Was ist das für eine Rolle?
- Speaker #1
Ich habe es so formuliert, ich habe das Kapitel genannt Action Man oder der Mann, der zu viel musste. Anspielung auf Der Mann, der zu viel wusste, einen Filmtitel, den ich immer noch ikonisch finde. Und es ist das Müssen. Es ist das Hasslertum, es ist leistungsbasiert, all diese Dinge schwingen mit und es ist ein Performance-Druck, über den sich Männer in einem patriarchalen Sinne definieren müssen. Und da bleibt sehr, sehr wenig Raum für Innschau. Es bleibt wenig Raum für... Eine Beschäftigung mit Emotionen, Zugänge zu finden zu Emotionen, Zugänge mit Emotionen umzugehen und, und, und. Und das ist zutiefst ungesund. Und zutiefst ungesund für ein Seelenleben. Denn ein Seelenleben ist irgendwie nicht im patriarchalen Sinne nicht vorgesehen für Männer. Und das sieht man bei diesem, sagen wir mal, ja, wieder Aufschwung aller möglichen toxischer Männlichkeitsbilder sehr, sehr deutlich.
- Speaker #0
Du hast gerade von Leistung gesprochen und da fällt mir der gute Freund, das verträge ich hart ein, nämlich der Kapitalismus.
- Speaker #1
Oh ja.
- Speaker #0
Und du schreibst sehr gut, wie die beiden, also wieso die beiden sich auch so gut verstehen. Magst du ein bisschen mehr darüber berichten? Also es sind im Grunde genommen zwei Gesellschaftssystemen, die aber irgendwie zusammenwirken. Wie funktioniert das?
- Speaker #1
Also ich glaube... Wenn wir jetzt in dem Bild bleiben, gute Freunde, kann nichts trennen und so, könnte man vielleicht erstmal drauf anspielen, auf die Historie. Also sie kennen sich halt aus frühester Kindheit, so könnte man es vielleicht formulieren. Also es waren schon so Kindergarten-Buddies, denn da muss man ein bisschen auch die Entstehungsgeschichte des Patriarchats mit angucken. Also wie war es überhaupt möglich, dass wir diese Geschlechterzuweisung, auch diese Funktionszuweisung, diese sozialen überhaupt. Dass wir da überhaupt hingekommen sind. Und das war erst überhaupt möglich durch die Sesshaftwerdung der Menschen und durch das Bilden von Besitz und Eigentum und Grund und Boden. So, diese Dinge. Solange es noch nomadische Gemeinschaften gab, die miteinander umhergezogen sind, der Nahrung hinterhergezogen sind und so ihr Überleben bestritten haben, war... die Zuweisung von Funktionen und wie man in der Gemeinschaft einen Beitrag geleistet hat, völlig anders aufgestellt. Sobald es Grund und Boden gab, Besitz gab, ein Haus drauf gab, was zu verteidigen galt und solche Sachen und dann noch irgendwann Geld ins Spiel kam, naja gut, weiß man ja, wie das dann alles war, sind halt zwei Dinge passiert. Erstens mal gab es verschiedene Sphären, Wirksphären. in denen Dinge abliefen, das Häusliche und eben da draußen den Rest. So, das war das Weltbewegende. Und darin spielte sich halt sehr viel ab. Also Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, alles Mögliche. Und eben noch das Haus irgendwie verteidigen und Grund und Boden verteidigen gegenüber Feinden. Und so war es erst möglich, dass man entlang von Geschlechterkategorien so Räume, so Sphären, auf einmal ausfindig machen konnte, das Häusliche, in dem sich dann auf einmal Frauen zurückzogen, vor allem auch Kochstellen, die früher draußen waren, wo alle irgendwie gemeinschaftlich geteilt haben. Und dann kam es zu diesem privaten Zoo und dem da draußen, wo dann auf einmal sich Männer schimmelten und das Sagen hatten. Also das erstmal ganz, ganz grob runtergebrochen, aber erstmal so ging das los. Und wenn wir dann hören, Besitz. und dann kam irgendwann noch Geld und sowas ins Spiel und so weiter, dann kann man sich in etwa vorstellen, okay, Kapitalismus und Patriarchat teilen dieselben Begünstigungen. Im Entstehen. Und ich glaube, deswegen verstehen sie sich sehr, sehr gut. Deswegen verstehen sie sich dann aber auch sehr gut in ihren Wirkmechanismen. Also wenn wir uns sehen, du hast ja auch schon gesagt, Leistung erinnert dich jetzt schon an Kapitalismus und so weiter, kann man auch noch ein bisschen weiterspinnen. Und wie wird Leistung gewertet? Ich habe eben den Performance-Druck bei aufmännlich sozialisierte Personen genannt und so weiter. Da hängt viel zusammen, ein ähnliches Menschenbild. Und ich würde so weit gehen, sagen zu wollen, wenn du Kritik am Patriarchat übst, musst du auch immer eine gewisse Kapitalismuskritik üben. Es geht gar nicht anders, denn das Menschenbild ist ein geteiltes in diesen beiden prägenden Ordnungen.
- Speaker #0
Kapitalismus funktioniert ja auch nur, wenn es eine Gruppe von Menschen gibt, die irgendwie ausgebeutet wird. Und wenn ich jetzt zum Beispiel an Sorgearbeit, unbezahlte Sorgearbeit denke oder auch Sorgearbeit, die bezahlt wird, aber in unserer Gesellschaft einfach zum Teil auch sehr prekär bezahlt wird mit prekären Anstellungsverhältnissen und so, da macht sich ja eigentlich der Kapitalismus auch das Patriarchat so nutzt. Es ist ja super gut, wenn es so Rollen gibt, dass halt zufällig immer... Frauen oder weiblich sozialisierte Personen in der Familie den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit übernehmen. Das ist ja super praktisch für so einen Kapitalisten.
- Speaker #1
Richtig, absolut. Deswegen habe ich auch nochmal im Buch genauer drauf geschaut, wie versteht das Patriarchat das Wort Gewalt. Und es ist auch sehr wichtig zu verstehen, dass es eine ganz bestimmte Art der Gewalt ist. Es ist eine Verfügungsgewalt. zu verfügen, über Menschen und Dinge, also über Ressourcen. Und genau das ist ja auch die Funktionslogik des Kapitalismus, die Verfügungsgewalt über Ressourcen. Und auch Menschen sind in diesem System eine Ressource.
- Speaker #0
Auch eine Deutungshoheit, glaube ich, über Rollen, was ist richtig, was ist falsch. Was ist Leistung zum Beispiel auch? Was hat Wert in unserer Gesellschaft? Du hast es ja vorhin so ein bisschen geschichtlich angerissen, so einen Überblick gegeben, wie das entstanden ist. Und ich habe vor kurzem mal einen Artikel auch darüber gelesen. Und da ging es darum, dass im Grunde genommen zu irgendeinem Zeitpunkt sich das Klima geändert hat und dadurch halt Landwirtschaft plötzlich möglich war und Leute halt einfach da geblieben sind, wo sie gerade waren und Landwirtschaft betrieben haben. und da ist genau dieser Besitz plötzlich aufgetaucht, beziehungsweise hat sich, Besitz gab es natürlich vorher auch schon, aber hat sich halt irgendwie um, wurde irgendwie uminterpretiert. Und ich finde, genau dieser Besitzanspruch, genau wie du sagst, das ist ja im Grunde auch schon eine Form von Gewalt und dann eben diese Deutungshoheit von was hat jetzt in unserer Gesellschaft Wert und was nicht. in dem Moment, in dem eine Gesellschaft einen großen Schwerpunkt auf Besitz legt, will man ja auch Besitz anhäufen. Das heißt, man führt vielleicht auch Kriege, man braucht wieder Gewalt. Und in dem Moment ist dann ja zum Beispiel auch eine körperliche Überlegenheit von Vorteil. Und ich finde, das ist eigentlich in unserer Gesellschaft immer noch so, dass man irgendwie, das ist ja auch dieses, was der Mann muss, also dieses so stark sein, die Action-Man-Figur ist ja auch eine Figur, die du in deinem Buch, in dem einen Kapitel sehr viel... erwähnst und auch gegenüberstellst mit einer Puppe. Vielleicht kannst du auch nochmal erklären, was sozusagen diese gegenüberliegende Figur ist. Aber dieses Starksein macht natürlich dann Sinn in einer Gesellschaft, wo man stark sein muss, weil man Überlegenheit zeigen möchte, körperliche Überlegenheit gegenüber anderen, um zum Beispiel Besitz sich einzuverleiben.
- Speaker #1
Richtig, absolut. Genau das ist es. Also die Körperlichkeit und da haben wir es dann mit den Biologisierungen, mit denen das Patriarchat natürlich auch sehr, sehr stark arbeitet in seinen Erzählungen. Ich sage ja immer, das Patriarchat ist wirklich der beste Geschichtenerzähler der Geschichte, was es uns über uns erzählt, was sein muss. Und genau das ist es eben, diese Biologisierungen, eben Dinge festzumachen an körperlichen Erinnerungen. Beschaffenheiten oder eben auch irgendwas hinein zu interpretieren, dass das so sein muss, weil die Frau so ist, weil der Mann so ist und das betrifft auch das Innerliche. Du hast jetzt die körperliche Stärke angesprochen. Ich würde jetzt noch mit reinfließen lassen Dinge wie das Rationale. Das Rationale ist männlich. Deswegen ist es in der Politik. Eignen sich Männer besser für die Politik? Ja gut, also wenn man sich anguckt, was in der Politik so abgeht, wenn man sich Kriege anschaut, wenn man sich anguckt, in wie vielen Parlamenten der Welt irgendwelche Massenschlägereien auf einmal bei irgendeiner Sitzung irgendwie stattfinden. Ich weiß jetzt nicht so genau, ob das jetzt so sinnvoll ist, das so zu deuten. Aber das Rationale an den Mann zu heften, was ja auch im Wirtschaftlichen hochgepriesen wird, diese männliche Rationalität und das Emotionale ist dann irgendwie das weibliche, weiche und schwache und so weiter. All diese Dinge werden uns ja skizziert als Natur gegeben. Und das ist der große Trick. Also das ist der große Trick des Patriarchats. Gerne gehe ich nochmal ein, wie du gesagt hast, auf das kleine Puppenspiel, also den Actionman ja auch schon genannt hattest, den ich mir da rausgeguckt habe. Ich habe versucht zu erläutern, wie das Patriarchat zu uns steht in der Form einer Familienaufstellung. Ich habe mal so gesagt, wir sind die Ziehkinder und wir gucken. Guckt denn so das Patriarchat auf seine Ziehkinder? Naja, also diese ganzen therapeutischen Ansätze, also jede Sitzung ist irgendwie eine Annäherung und ein Versuch und das geht immer krachend in die Hose. Das ist so glaube ich auch das Lustige daran, aber auch das Ernüchternde. Naja, und diese Familienaufstellung, ja, also das Patriarchat hat sich schon mal ein bisschen vorbereitet und hat schon mal eine Puppe von zu Hause mitgebracht. Seine Lieblingspuppe, nämlich so eine Actionfigur, Actionman und so Muskelbepackt und so und mit Waffe und allem Halbautomatik und bereit für den Kampf. Und so stellt sich das Patriarchat halt sein Lieblingskind vor, also den Mann. Also genauere Unterscheidungen trifft er da jetzt nicht. Und die Therapeutin versucht dann noch so ein bisschen zu sagen, naja, also es gibt ja so viele Männlichkeitsvorstellungen, wie es Männer gibt. und so und nee, also das funktioniert nicht so gut. Lass mir lieber so an der Stelle. Und ja, und dann kommen wir zur Vorstellung der Frau. Ja, und das geht dann so richtig schief. Also darauf hat sich der Patient auch gar nicht vorbereitet. Da hat er auch nicht so viel zu, wusste er jetzt nicht so genau, wie er an die Aufgabenstellung rangehen soll. Ja, und dann entdeckt er, zeigt er in der Praxis in so einer Spielbox dann eben eine entsprechende Figur und empfindet große Angst und großen Ekel. Obwohl es eine eigentlich sehr, sehr harmlose Figur ist. Es ist einfach eine Stoffpuppe, harmlos, rote Wollhaare, paar Sommersprossen und ein Kleidchen, Blümchenkleid an, wo man sich so denkt, wovor hast du jetzt gerade Angst? Aber auch diese Figur genau wie die Actionfigur, hat einen realen Hintergrund. Es ist eine reale Puppe, die in den 70er Jahren für Aufsehen gesorgt hat in den USA. Klingt so ein bisschen wie so eine Folge X-Faktor jetzt gerade, wie Jonathan Frakes. Sie glauben, diese Geschichte ist wahr. Muss ich leider enttäuschen. Nee, aber es ist eine echte, echte urbane Legende. Die Puppe existierte wirklich und sie galt als verflucht. Eine Schwesternschülerin hatte diese Puppe und irgendwann kamen mysteriöse Dinge ins Spiel. Beispiel bis hin zu blutähnlichen Flüssigkeiten. Ja, und wenn es um Frauen und blutähnliche Flüssigkeiten geht, dann ist natürlich der Aufschrei groß. Das ist natürlich eklig und furchtbar und muss man gleich dämonisieren. Naja, langer Rede, kurzer Sinn. Es gab dann irgendeinen Spukforscher oder sowas, der gesagt hat, die Puppe muss verflucht sein. Da machen wir jetzt erstmal ein paar Exorzismen. Hat nichts gebracht. und seitdem... befindet sich diese Puppe in einem Museum, in einem Okkultismus-Museum, hinter einer verschlossenen Glasscheibe in einer ganz kleinen Vitrine und darf auf keinen Fall mehr raus. Und das ist halt ein mega krasses Bild. Da ist so eine harmlose Stoffpuppe mit aufgerissenen, aufgemalten Augen und steht da in diesen kleinen Kästchen und grinst da so verstört raus und darf da nicht mehr raus. Und dann steht da, auf gar keinen Fall öffnen. Und ich finde das sehr sinnbildlich dafür, wie man durch die gesamte Geschichte alles, was man irgendwie mit weiblich gelesenen Personen assoziiert, dämonisiert hat.
- Speaker #0
Und ich finde es auch sinnbildlich dafür, dass wir auch glauben, also obwohl wir wissen, es ist
- Speaker #1
Quatsch oder wahrscheinlich Quatsch.
- Speaker #0
Also ich würde jetzt diese Box nicht aufmachen wollen. Also irgendwie glaube ich dann auch. Oder ich will lieber auf Nummer sicher gehen und will lieber diese Puppe in ihrer Box lassen, obwohl ich weiß, dass es...
- Speaker #1
Ja.
- Speaker #0
Quatsch sein muss.
- Speaker #1
Genau. Absolut.
- Speaker #0
Und deswegen, also nur, das ist wieder diese Deutungshoheit. Irgendwer erzählt mir das und ich weiß, dass es eigentlich Quatsch ist, aber trotzdem gehe ich auf Nummer sicher und trotzdem lasse ich es dann lieber so.
- Speaker #1
Richtig. Und diese Deutungshoheit funktioniert nur, weil die Geschichten so mega gut sind. Das sind mega gut erzählte Geschichten. Ja, und das sieht man ja auch daran, dass sie immer wieder ein Revival bekommen. Ja, wir sind wieder an dem Punkt. wo uns irgendwelche Treadwives auf TikTok und Co. erzählen, wie geil es ist, sich dieser patriarchalen Verfügungsgewalt zu fügen und so weiter und so fort. Und nochmal, ich kann es nicht genug sagen, ich feiere es, wenn Menschen freie Entscheidungen treffen. Und ich backe sehr gerne Brot und Kuchen und alles Mögliche und finde das auch alles toll. Aber ich möchte einfach nur, dass Menschen ihr Potenzial leben können und nicht entlang an irgendwelche Dinge, die uns als naturgegeben vorgegeben werden. Und das ist in dem Fall und in diesen Bildern, die dann auch oftmals sich mischen mit irgendwelchem rechten Gedankengut, was da sich noch mit reinmischt, ist dann halt eben nicht der Fall. Und trotzdem, die Storys sind gut. Es lässt sich gut erzählen. Es lässt sich ästhetisch erzählen. Oder wenn du es auch so in einer spirituellen Szene mittlerweile hast, wieder mit Männlichkeit und Weiblichkeit, als das Weibliche, als das Empfangende und was weiß ich und keine Ahnung. Megatolle Geschichten und sie kommen gut an. Und so kann das Patriarchat wieder den nächsten Move fürs nächste Jahrtausend so machen.
- Speaker #0
Und die Geschichten, die sich anpassen, nutzen ja durchaus auch Diskurse, die eigentlich... Widerstand gegen das Patriarchat machen wollen. Also du hast es eigentlich gerade auch genauso gesagt, so ja, so Treadwife ist doch auch Feminismus, wenn ich das selber entscheide, weil ich es einfach super finde, mich zu unterwerfen, das ist doch auch Feminismus. Und wie sozusagen die Geschichten dann neu geschrieben werden, aber wie so eine Art Disney-Film irgendwie aus den 60ern, der neu verfilmt wird. Aber eigentlich ist die gleiche Story, ist es immer noch super problematisch. Die Charaktere sind ein bisschen moderner und es ist so ein bisschen was eingewebt worden, wo man sagen kann, aber wir sind doch alle einer Meinung.
- Speaker #1
Ja, genau. Absolut. Genauso wie wir es haben, wenn wir hier Girlboss, Hashtag Girlboss benutzen und so weiter und hustlen und Leistungsfetisch und so weiter, kapitalistischen neoliberalen Leistungsfetisch verklären und das, was das Patriarchat uns... jahrhundertelang männlich erklärt hat an bestimmten Leistungsvorstellungen und Arbeits- und Ausbeutungsstrukturen, wenn das dann auf einmal einfach adaptiert wird und Feminismus genannt wird.
- Speaker #0
Genau, also ich finde auch tatsächlich immer ganz viel geht es ja immer um diese Frauen in Führungspositionen und so und ich finde, das ist eigentlich so ein bisschen Ablenkungsmanöver. Da haben wir eigentlich wieder Patriarchat und Kapitalismus, die super gut äh, Ich wollte gerade sagen Hand in Hand gehen, aber die beiden würden natürlich niemals Hand in Hand gehen. Die möchten natürlich nicht, dass man irgendwie was Falsches über die beiden denken könnte. Also Stichwort Führerfeindlichkeit natürlich auch. Und dieses Frauen in Führungspositionen als Ablenkungsmanöver, wo ich mir denke, das wird einem vorgegaukelt. Du musst ja nur Leistung zeigen. Du musst dich nur genug anstrengen. Dann kommst du auch in diese Position.
- Speaker #1
Ja klar.
- Speaker #0
Und das dann auch als Befreiung oder als Gleichberechtigung zu verkaufen. Da haben wir wieder so, die Geschichte wird irgendwie neu gesponnen, neu erzählt, aber mit den gleichen Charakteren und es wird einem eigentlich wieder was vorgegaukelt, nämlich Leistung führt dazu, dass du halt irgendwie auch erfolgreich sein kannst und auch ein Unternehmen führen kannst. und es wird aber nicht in Frage gestellt, dass halt dieses ganze System ja im Grunde genommen krank ist. Dieses Patriarchat und Kapitalismus und... Ich glaube, vielleicht gibt es noch ein drittes System, was da auch noch dazu gehört, weiße Vorherrschaft nämlich. Die drei sind eigentlich irgendwie so Best Friends, habe ich so das Gefühl. Und dass es einem vorgemacht wird, dieser Meritokratie-Gedanke ist es, glaube ich, ich kann da hinkommen, ohne das System in seinen Grundmauern mal ins Erschüttern. zu bringen. Das ist ja eigentlich die größte Lüge, finde ich.
- Speaker #1
Das ist eine riesengroße Lüge und das ist immer so eine Karotte, die dir vor der Nase irgendwie da rumgeschwenkt wird und du kannst die einfach nicht erreichen. Es ist völlig absurd und noch absurder wird es, wenn dir eingeredet wird, so im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung. Du kannst so viel tun, wenn du nur dein Mindset änderst. Deswegen bin ich, glaube ich, auch auf den Gedanken. Oder auf diesen Aufhänger gekommen mit der Serie und dann eben auch dem Buch. Zu sagen, okay, wir drehen mal den Spieß um. Ich arbeite mich ständig ab an mir selbst und soll irgendwie besser werden, mich selbst optimieren und so weiter und so fort. Und am Ende, so, was steht denn da am Ende? Ja, also auch diesen Leistungsdruck dann auf Seelenleben zu übertragen, halte ich für sehr, sehr schwierig. Ich habe es auch im Buch dann so genannt, also weißt du, es ist toll, wenn du für dein Verhandlungsgeschick und so weiter da ein paar Glaubenssätzen arbeitest und so weiter. Feier ich, es ist mega, dass du gestärkt reingehst, wenn es um eine Gehaltserhöhung geht und so in einem Gespräch. Super klasse, aber du kannst einfach keinen Gender Pay Gap wegmeditieren. So, ja, also nein.
- Speaker #0
Wir reden jetzt viel über Männer und Frauen, aber ich glaube, das ist auch ein Symptom des Patriarchats, diese Binarität. Also es gibt sozusagen den Mann und es gibt die Frau und darüber hinaus, also der konnte sich ja schon die Frau kaum vorstellen, gibt es eigentlich nichts mehr, oder?
- Speaker #1
Genau das. Also don't shoot the messenger. Also ich versuche im Buch, klar in dieser TherapeutInnen-Rolle natürlich. So auf den Patienten einzugehen, dass ich natürlich auch die Sprache annehme und auch die Welt, in der er denkt. Und diese Welt ist binär. Und das ist eben auch ein Problem. Und das funktioniert ja gar nicht anders für diesen Patienten. Die Welt kann gar nicht anders funktionieren für diesen Patienten. Diese Ordnung muss aufrechterhalten werden, beziehungsweise sie spielt ihm sehr in die Karten. Auf der anderen Seite schildere ich eben auch. dass diese Binarität eine Erfindung ist, auch wieder ein gutes Storytelling. Und dass wir in dieser Binarität noch gar nicht so lange drinstecken oder im Denken noch gar nicht so lange gesellschaftlich drinstecken. Und das glaube ich erst so im 18. Jahrhundert oder so. Diese Vorstellung, diese Binarität Schub bekommen hat und auch dann dazu führte, irgendwelche Wesenszüge und charakterlichen Eigenschaften Geschlechtern, zwei Geschlechtern jeweils zuzuweisen. Und dass wir davor andere Vorstellungen hatten, die auch den Patriarchat in die Karten gespielt haben, weil sie in bestimmter Weise erzählt wurden. Also vorher war vorherrschend das Eingeschlechter-Modell, war aber jetzt auch nicht gerade sympathischer, weil man dann halt irgendwie es so umerzählen konnte. naja, also irgendwie gibt es eigentlich nur ein Geschlecht und anatomisch sieht das dann halt bei den einen ein bisschen anders aus als bei den anderen. Und die ideale Form ist halt der Mann und bei den anderen, also das ist dann quasi irgendwie so eine Anomalie. Also da ist dann irgendwie das Geschlechtsteil nach innen gestülpt und dann sind da noch Brüste dran. Da ist irgendwas schiefgegangen, so nach dem Motto. Ich überspitze jetzt, aber dass man sich ein bisschen so vorstellen kann, dass hier auch eine Wertigkeit wiederum stattgefunden hat. Naja, und dann Ähm. Irgendwann entdeckte man da doch ein paar mehr Unterschiede. Und ja, man hätte eigentlich die Hoffnung gehabt, da eher gleich mal in den Bereich Vielfalt reinzugucken. Wir sind leider bei der Binarität hängen geblieben und das war dann auch nicht gerade so sympathisch. Und hier hat auch wieder das Patriarchat viele Mittel und Wege gefunden, sich diese Vorstellung zunutze zu machen.
- Speaker #0
Es macht aber, nehmen wir nochmal mit dem Blick auf die unbezahlte Sorgearbeit, die eine Gruppe leistet, macht es ja total Sinn. Weil wenn man mehr Gruppen hat, dann müsste man ja theoretisch noch mehr Aufgaben verteilen.
- Speaker #1
Absolut.
- Speaker #0
Könnte man natürlich machen, aber macht es irgendwie komplizierter. Also ich finde, es macht schon Sinn, wie das Patriarchat denkt und was es auch erzählt. Es macht irgendwie Sinn in einer sehr verqueren Welt natürlich.
- Speaker #1
Auf jeden Fall.
- Speaker #0
Das Patriarchat klingt jetzt aber auch gleichzeitig nicht so, als wäre es überhaupt therapierbar. Also alles, was der so erzählt, das ganze Verhalten, also vielleicht kann er ein paar Sachen verlernen, aber so grundsätzlich, der ist ja auch nicht einsichtig. Das ist ja auch schon mal so eine Voraussetzung, wenn man eine Therapie macht, dass man überhaupt Lust hat, an sich zu arbeiten und sich selbst besser kennenzulernen. Hat der ja gar nicht. Also kann sich da überhaupt was verändern mithilfe von Therapie oder was braucht es denn?
- Speaker #1
Ja, jetzt spoiler ich schon mal das Ende des Buches. Sorry für das, aber das wird nicht mehr. Also Patriarchat und Heilung sehe ich nicht. Aber die Sache ist ja die, wir haben da ja so ein kleines Kammerspiel skizziert mit einem Patienten, der vor uns sitzt und so weiter. Das ist ja alles fiktiv. Kommen wir mal in die Realität zurück. Dieser Patient, der da vor uns sitzt und schwerst therapierbar oder gar nicht therapierbar ist, der sitzt ja in uns drin. Das heißt, wir müssen mit dieser Situation ja umgehen, dass wir in einem patriarchalen System leben und groß geworden sind in einem solchen System und vieles in uns tragen, was eigentlich das System reproduzieren soll. Und egal, wie bewusst ich mir bin, was alles schiefläuft, ganz gelingt es ja nicht immer. Auch wenn ich dieses Buch niederschreibe und alles, genau bei diesem Prozess des Buches. Buchschreibens ist es mir auch nochmal so klar geworden, wie viel das Patriarchat mit mir angestellt hat. Also, dass ich ein Buch niederschreibe und die ganze Zeit denke, ich darf das eigentlich gar nicht schreiben. Ich bin nicht klug genug. Ich bin nicht so und so genug und das nicht genug. Und gerade das Nicht-Genug-Sein ist etwas, was einem als weiblich sozialisierte Person sehr oft über den Weg läuft. Wo das Patriarchat auch sehr gute Arbeit geleistet hat in den Glaubenssätzen. Und deswegen geht es im Endeffekt darum, zu erforschen, wie gehe ich mit mir selbst um, wenn ich dieses Gedankenexperiment verlasse? Und wie bastle ich ein bisschen an meiner Seele rum, dass sie in Teilen heilen darf und ganz werden darf? Denn das ist es ja, auf was das Patriarchat setzt, auf Spaltung. auf Spaltung der Geschlechter und damit aber auch eine Spaltung in uns selbst.
- Speaker #0
Und ja, ich finde, das ist schon ein gutes Schlusswort eigentlich, dass Heilen eigentlich auch im Mittelpunkt steht. Also dass irgendwie auch eine Form von Widerstand auch einfach sein kann. Ich heile mich selbst von dem, was ich da gelernt habe, wie ich sozialisiert wurde und was das auch mit mir gemacht hat. Und ich nehme mir vielleicht auch die Zeit. Zu heilen, also das hört man ja oft, Rest is resistance, also ausruhen oder sich ausruhen ist Widerstand. Und eben besonders in einer leistungsorientierten Gesellschaft, also wieder zu sich selbst zu finden und diesen Hustle mal zurückzulassen, da finde ich passt Heilung, gefällt mir richtig gut. Also es macht ein warmes Gefühl in mir.
- Speaker #1
Ja, absolut. Da passt es eben auch wieder, dieses Psychotherapeutische mit reinzubringen, weil ich glaube, das ist wirklich ein Ziel, dass wir diese ganzen Schäden, diese patriarchalen Schäden in uns angehen und in Heilung schicken. Und das wird dauern und das wird auch Generationen dauern. Und klar, das Patriarchat ist clever und findet immer wieder neue Wege, sich neu zu erfinden. Das haben wir viele Jahrtausende jetzt schon erlebt. Das sehen wir jetzt gerade aktuell auch wieder. Das heißt, das sind erschwerte Bedingungen. Aber ja, wie du es auch beschreibst, in die Ruhe zu finden und sich auch die Ruhe zu nehmen, aus diesem Leistungskontext, aus diesem Leistungsfetisch auszusteigen, ja, ist eine Herausforderung. Aber ich glaube, das ist Teil des Weges und ein großer Teil ist eben. an einer Gesellschaft mitzuwirken, die Empathie in den Mittelpunkt rückt. Ich glaube, das ist das einzige Medikament gegen Patriarchat. Das ist Empathie.
- Speaker #0
Danke dir für dieses schöne Gespräch, liebe Katharina. Ich habe schon gehört, du schreibst schon an einem neuen Buch. Ich bin schon ganz gespannt und vielleicht sehen wir uns oder hören wir uns dann nochmal in meinem Podcast. Ich wünsche dir bis dahin eine gute Zeit und bis bald.
- Speaker #1
Danke dir von Herzen, Alena, für die schöne Einladung und das schöne Gespräch. Hat mir sehr viel Freude bereitet. Danke dir. Tschüss.