- Speaker #0
Hallo und herzlich willkommen zu Patriarchy What The Fuck, ein Podcast über Sexismus. Mein Name ist Alena und ich spreche einmal im Monat mit Expertinnen, Autorinnen und Aktivistinnen über das Thema Sexismus in all seinen Facetten. Heute ist Ellen Wagner bei mir im Podcast. Ellen Wagner ist Moderatorin, Rednerin, Beraterin, Workshop-Leiterin, Trainerin und natürlich Autorin. Ihre Mission ist es, die Art und Weise zu verändern, wie wir zusammenarbeiten. Dies gelingt ihr durch maßgeschneiderte Workshops, Keynotes sowie digitale Event- und Facilitation-Lösungen für selbstständige Start-ups und internationale Unternehmen in Europa, den USA und darüber hinaus. Als queere, schwarze und neurodivergente Frau arbeitet Ellen dabei immer inklusiv und intersektional. Ellen hat das Buch Liebe trotz Widerstände, ein intersektionaler Blick auf Familie, herausgegeben, das 2025 im Orlando Verlag erschienen ist. Hallo Ellen, schön, dass du da bist.
- Speaker #1
Hallo Alena, danke für die Einladung.
- Speaker #0
Worum geht es in deinem Buch?
- Speaker #1
Ja, worum geht es in meinem Buch? Eine so kurze Frage und da muss ich tatsächlich mal in mich gehen und sagen, ja, worum geht es denn? Es geht nämlich um sehr, sehr viele Dinge, da es eine Anthologie ist, also eine Geschichtensammlung. von insgesamt 38 Beiträgen. Das sind also ganz viele unterschiedliche Perspektiven zu dem Thema Familie. Und der Titel Liebe. Trotz. Widerstände. ist so ein Wortspiel. Hast du wahrscheinlich schon gemerkt.
- Speaker #0
Ja.
- Speaker #1
Wenn man das so ausspricht, dann sagt man halt Liebe trotz Widerstände. Und ich bin aber auch der Meinung, dass die Begriffe einzeln... Es geht also ganz viel um Liebe, es geht aber auch um Trotz und es geht auch um Widerstände. Und der Subtitel des Buches ist ein intersektionaler Blick auf Familie und das ist sozusagen die Vielfalt in diesem Buch. Intersektionalität. Für all jene, die den Begriff noch nicht kennen, beschreibt die unterschiedlichen Wirkmechanismen von verschiedenen Diskriminierungsformen. Ich zum Beispiel bin eine schwarze Frau und somit stehe ich an der Intersektion, also an der Kreuzung, wo mir Rassismus begegnet und Sexismus von einer anderen Seite sozusagen. Und das hat eine ganz besondere Dynamik in meinem Alltag. Und ja, wir können da natürlich noch drauf eingehen. Ich wollte nur kurz den Begriff Intersektionalität. beschreiben und die Beitragenden in meinem Buch, die stehen halt alle an ganz unterschiedlichen Intersektionen. Und somit bildet jede dieser einzelnen Intersektionen ein ganz anderes Erleben und Wahrnehmen auch von Diskriminierung. Und das sind Perspektiven, die dort draußen ganz häufig fehlen, wenn wir über das Thema Familie sprechen. Und deswegen wollte ich diese Lücke stopfen. Es ist ein Buch. Es sind zwar viele Geschichten, aber es gibt noch weitaus mehr Perspektiven, die eigentlich darin fehlen. Aber es ist ein guter Anfang. Und alle, die jetzt da draußen zuhören und denken, ich wollte doch auch mal ein Buch schreiben, fühlt euch motiviert, auch diese Lücken zu stopfen, damit wir eine neue Normalität schaffen, damit wir Repräsentation schaffen, Sichtbarkeit und all das soll dieses Buch tun.
- Speaker #0
Ich habe das Buch ja schon lesen dürfen, bevor es überhaupt erschienen ist und ich fand es ehrlich gesagt ziemlich cool. Ich lese ja logischerweise im Moment super viele Bücher und es sind halt häufig einfach Sachbücher, wo es einfach um Konzepte oft geht, um Theorien und natürlich ist das alles super wichtig, aber ich finde es ist auch sehr ähnlich. Es überschneidet sich häufig und ich finde, es ist nicht so leicht zugänglich. Also ich finde, es ist sehr akademisch häufig geschrieben, sehr wissenschaftlich geschrieben und als ich angefangen habe, Liebe trotz Widerstände zu lesen, war ich anfangs ein bisschen skeptisch, weil ich mag eigentlich nicht so gern, wenn es so viele Kurzgeschichten gibt. Ich bin eigentlich eher so der Typ, der dann nach so einer Kurzgeschichte denkt, und wie geht's jetzt weiter? Also ich will dann mehr wissen. Und in dem Fall fand ich, dass das so ein richtig toller Einblick in, also wie so durchs Fenster gucken, in das Familienleben von anderen Menschen, die wirklich ein ganz, ganz anderes Familienleben, teilweise nicht alle, aber teilweise ein ganz anderes Familienleben haben als ich und auf eine Art und Weise geschrieben, die wirklich zugänglich ist. Also teilweise mit viel Emotionen, mit viel Gefühl, mit Hingabe und Leidenschaft. Also ich finde, man sieht eigentlich die Person hinter den einzelnen Kapiteln und es hat einfach mega Spaß gemacht, das zu lesen.
- Speaker #1
Ganz lieben Dank für dein Feedback. Ich bin ganz gespannt, was Menschen sagen und du bist eine der wenigen ersten Personen, von denen ich jetzt Feedback höre und das ist sehr, sehr schön, dass das so bei dir ankommt und vor allem, dass es auch zugänglich ist, denn das ist ein ganz großes Ziel in dieser Unterhaltung oder in diesen Unterhaltungen rund um diese Themen Diskriminierung, Vielfalt, Gleichberechtigung. wird mit so vielen Fachbegriffen um sich geworfen, dass es manchmal schwierig zu folgen, selbst für mich. Und ich mache das seit Jahren. Und für uns war es wichtig, dass in dem Buch auch ein Glossar ist. Das heißt ganz hinten, ich finde, allein dieses Glossar zu lesen, hilft schon, die Welt ein Stückchen besser zu verstehen. Und natürlich sind Geschichten auch nochmal eingänglicher. Also Menschen können sich Geschichten super merken. Und es ist halt so eine Vielzahl an Geschichten da, dass jede Person sicherlich eine Handvoll Geschichten findet, die für sie ganz persönlich zugänglich sind.
- Speaker #0
Wie kamst du auf die Idee, dieses Buch überhaupt zu schreiben? Das ist ja im Grunde genommen ein Buch über Familien jenseits der patriarchalen Norm. Warum?
- Speaker #1
Weil ich ja jenseits der patriarchalen Norm bin mit meiner Familie. Also ich, schwarz, queer, neurodivergent, das ist ja alles nicht typisch. Das sind ja alles Dimensionen, die nicht mitgedacht werden. bin mit einer weißen Frau verheiratet, bin also biracial, so nennt man das, wenn Menschen aus zwei unterschiedlichen Menschengruppen abstammen. Und ich mache immer so kurze Pausen und erkläre Begriffe. Also Race ist ein englischer Begriff, der nichts mit der biologischen Rasse zu tun hat, weil das ist ja eine Erfindung, sondern Race wird tatsächlich im US-amerikanischen Kontext genutzt, um Menschengruppen nach Erscheinungsbild einzuteilen. Und ich... Bin schwarz, meine Frau ist weiß. Und weiß bedeutet, nicht von Rassismus betroffen zu sein. Und wenn ihr mehr darüber erfahren möchtet, schaut ins Glossar oder lest die Geschichten, da wird viel erklärt. Genau, das heißt, alleine meine Frau und ich, wenn wir uns schon mal als Familie sehen, wir sind schon mal nicht die Norm. Wir sind schon nicht Vater-Mutter-Kind. Wir haben zwar ein Kind, aber dieses Kind stammt von einer vorherigen Beziehung von mir. Das nennt man ja dann Patchwork-Familie. Und dann haben wir beide gemeinsame. Zwei Kinder und zwar Zwillinge und zwar gezeugt durch künstliche Befruchtung ist ja auch nicht der Standard. Und ich kann das jetzt an so vielen unendlichen Beispielen ausmachen, warum es für Menschen nicht normal ist, wie wir leben oder wie wir Familie leben. Alleine an den Fragen, wenn ich mich vorstelle und sage, meine Frau und ich, ach, du bist mit einer Frau verheiratet, zack, boom, kriege ich wieder den Reminder. Ellen, du bist nicht normal, denn normal wäre, dass du jetzt von deinem Mann erzählst. Und dann erzähle ich, dass wir Zwillinge haben. Und dann wird ja da ein ganzes Kapitel aufgemacht von, ach, sind sie denn ein Eik oder nicht und wie könnt ihr die auseinanderhalten? Also da passiert auch viel anders machen, weil bei üblichen Einlingen oder regulären, sage ich mal, Geschwistern all diese Fragen gar nicht kommen. Dabei kann es auch sein, dass die einen kurzen Altersabstand haben, sich auch unglaublich ähneln, die Kinder, die Eltern oder Caretaker vielleicht auch mal nachfragen müssen, welches Kind hat er jetzt gerade gerufen. Also es gibt ja unglaublich viele Parallelen, aber es gibt einfach Familienmodelle oder Familienidentitäten, die als gar nicht so normal angesehen werden. Und das führt dazu, dass sie weniger repräsentiert sind. Das führt dazu, dass weniger Informationen vorhanden sind. Und jetzt komme ich zu dem Punkt. Wie bin ich denn auf diese Buchidee gekommen? Ich war selber schwanger mit den Zwillingen. Es waren ursprünglich auch Drinninge. Dann haben wir ein Kind verloren. Das sind alles so Themen, das haben wir in der Schwangerschaft erfahren. Wie häufig das passiert, dass das passiert, dass es das gibt. Und dann war ich auf der Suche nach einem Buch, nach einem Ratgeber, wo ich mir Informationen zu Zwillingsschwangerschaften aneignen kann und Bescheid weiß, was ist denn da die Besonderheit. weil der Ablauf schon ganz anders ist. Und eine Freundin hatte mir ein Buch empfohlen. Ich habe das dann online eingesehen und habe so ein paar Seiten durchstöbert. Es war ein Buch in deutscher Sprache. Und dort habe ich nur weiße Repräsentationen gesehen. Also keine Menschen, die so aussehen wie ich. Und das hat mich tatsächlich so getriggert, so wütend und traurig gemacht, dass ich dort nicht mich selber wiederentdecken kann. kombiniert mit Der Narrativ mit der Erzählung von ausschließlich Frauen können schwanger werden und wenn ich den Mann nett frage, dann wechselt er vielleicht auch noch eine Windel. Habe ich mich nicht wiedergesehen? Weil meine Frau ist halt kein Mann. Und wir haben eine ganz andere Auffassung von Rollenbeziehungen. Also es war alles so falsch. Ich habe gesagt, ich kann da nicht die Informationen rauslesen, die ich brauche. Ich muss jetzt weitersuchen. Und nach einer langen Suche bin ich zu dem Schluss gekommen, okay, es gibt dieses Buch nicht, wo ich mich wiedersehen kann. Also was soll ich tun? Und ich habe schon mal ein Buch rausgebracht, auch eine Anthologie. Und da habe ich gesagt, gut, ich probiere es doch nochmal. Also erst war die Buchidee da, dass ich meine Geschichte aufschreibe. Da hätte ich sicherlich viele Themen, die vielleicht da draußen tabu sind oder erst langsam so gesellschaftlich mehr, sage ich mal, Bekanntmachung erhalten, wie Fehlgeburten und solche Dinge. Alleinerziehend, berufstätig, das sind alles Themen, die ich hätte beschreiben können. Und dann habe ich aber beim Sammeln meiner Themen gemerkt, es gibt ja noch mehr und bin dann mit Menschen zusammengeraten, wo ich von der Buchidee erzählt hatte und dann hat das resoniert. Und dann haben die gesagt, ja, könnte ich mir auch vorstellen, was beizutragen. Und dann dachte ich, ja, dann frag doch mal. Und dann ist eine Gruppe von Menschen zusammengekommen, die recht divers ist, also unterschiedliche Perspektiven tatsächlich abdecken. Und somit ist dann diese Anthologie entstanden und ganz viele Perspektiven. die halt noch weit über meine eigenen Erfahrungen hinausgehen, aber die irgendwie im Kern alle um das Thema Liebe, um Trotz und Widerstände geht. Und das ist ganz, ganz toll.
- Speaker #0
Ich finde es super spannend, dass ja auch der Begriff Patriarchat, da denkt man ja immer, es ist irgendwie die Herrschaft der Männer, aber es ist eigentlich die Herrschaft des Vaters, so heißt es ja eigentlich. Ich vermute mal, es ist griechisch. Es ist die Herrschaft des Vaters. Also wenn wir sagen, wir leben jetzt in einer patriarchalischen oder patriarchalisch geprägten, dann hat der Vater irgendwie scheinbar eine wichtige Rolle. Also wenn das Gesellschaftssystem oder das eines dieser Unterdrückungssysteme, die in dieser Gesellschaft wirken, Patriarchat genannt wird, Herrschaft des Vaters, dann hat der Vater ja irgendwie eine Rolle. Und du hast eben den Begriff Heteronormativität genannt. Könntest du nochmal kurz sagen, was du genau damit meinst?
- Speaker #1
Ja, gut, dass du da nochmal nachhackst. Manchmal fällt mir nämlich gar nicht mehr auf, was ich da für Begrifflichkeiten nutze. Genau. Also ich lebe in den USA, an der US-amerikanischen Ostküste, auf dem gestohlenen Land der Lenni-Lenape. Und ich nutze sehr viele englischsprachige Begriffe, also wie zum Beispiel LGBTQIA. Und für mich ist die Zusammenfassung alles, was halt nicht heteronormativ ist. Sozusagen könnte man sagen, dass so das Gegengewicht oder das Gegenteil. Und bei dem Begriff LGBTQIA plus oder Stern geht es. Zum einen um die sexuelle Orientierung. Das ist wie in meinem Fall, dass ich pansexuell bin. Dürft ihr gerne googeln. Das heißt, das Geschlecht ist in meinem Fall nicht ausschlaggebend. Ich fühle mich sexuell und romantisch zu allen Geschlechtern hingezogen. Und zum anderen beschreibt dieser Begriff, dieses Akronym, die geschlechtliche Identität, ob sich Menschen als Frau fühlen, als Mann fühlen, als trans. als nicht-binär, als agender und all die anderen geschlechtlichen Identitäten, die es gibt. Und das, was ich jetzt gerade aufgezählt habe, das ist wieder nicht die Norm. Das ist nicht das, wovon die Gesellschaft immer als Standard ausgeht. Das, wovon die Gesellschaft immer davon ausgeht, wie eine Familie zu sein hat, wie Liebesbeziehungen zu sein haben, wie Dating funktionieren muss, alles ist Also heteronormativ. Und ich hatte keinen Latein. Jetzt bin ich mir gar nicht sicher, was hetero bedeutet, aber ich glaube, es ist nicht gleich, also ungleich. Und normativ halt die Norm, also was als normal gesehen wird. Und das sind halt heterosexuelle Beziehungen, würde ich sagen, von Mann und Frau. Hast du auch das Verständnis, dass heteronormativ das ist?
- Speaker #0
Also tatsächlich genau, also Heterosexualität als die Norm und dann, wenn es halt irgendwo einen Vater gibt und da eine Heteronormativität drinsteckt, dann muss es halt irgendwie in einer heteronormativen Gesellschaft ja eine Frau geben. Also ein super binärer Blick aufs Zusammenleben und auch aufs Familienleben. Also der Vater kann ja nur Vater sein, wenn es dann auch die Mutter gibt und die Mutter kann nur Mutter sein, wenn es einen Vater gibt. Also irgendwie gehören auch beide zusammen. Und daraus entsteht dann irgendwas und an der Spitze dieser Gesellschaft steht halt irgendwie dieser Vater, der natürlich hetero ist und aber natürlich auch cis. Also logischerweise, dieser Vater ist ein cis-heterosexueller Mann. Also er hat irgendwie einen Penis und dann mit diesem Penis... Babys gezeugt und ist deren Vater. Und das ist irgendwie die Rolle, die er hat und aus dieser Rolle heraus regiert er die Gesellschaft. Das finde ich irgendwie spannend und ich finde, dass das tatsächlich sehr, ich finde, das prägt uns auf allen Ebenen in unserer Gesellschaft. Also wenn man auf Familie guckt, wie sozusagen die Norm ist, das erwartet man Mutter, Vater, Kind oder Kinder. Häufig ja zwei. Genau, ich wollte gerade sagen, häufig zwei. Besten noch Junge und Mädchen, auch wieder, sehr binär. und wie du sagst, nicht zu viele natürlich. Aber dieser sehr normative Blick darauf, wie eine Familie aussieht, das findet sich auf vielen Ebenen wieder. Und wir imitieren sozusagen dieses Patriarchat auf ganz vielen Ebenen. Das finde ich super spannend. Und ich finde, dein Buch setzt da wirklich so einen Akzent. Nee, aber eigentlich... Ist das gar nicht immer so. Und ich finde, es sind auch so viele Geschichten, dass man dann am Ende auch denkt, die Mehrheit ist gar nicht diese heteronormative patriarchale Norm, sondern am Ende des Buches war ich so, nee, die Mehrheit sieht komplett anders aus. und deswegen finde ich es auch so schön, dass es so viele Geschichten sind, also am Anfang dachte ich ja zwölf oder so, so typischerweise würde man zwölf Geschichten mal 30 Seiten oder so oder 25 und es sind 38 und das finde ich zeigt nochmal diese Diese Vielfalt eben, hast du gesagt, sind noch nicht mal alle Perspektiven repräsentiert. Das heißt, es fehlen weitere Perspektiven. Und deswegen finde ich das Buch so schön, weil es eben in sich selbst auch so vielfältig ist.
- Speaker #1
Danke, Alena. Red doch einfach weiter. Ich höre dir weiter zu.
- Speaker #0
Was macht es mit Menschen, die sich in so einer Norm dann nicht wiederfinden, obwohl es ja eigentlich so viele sind? hat das ja irgendwie wahrscheinlich einen negativen Einfluss auf einen selbst, auf das Leben. Also was macht das mit einem?
- Speaker #1
Ganz viel. So viel. Ich glaube, da könnte ich eine Thesis drüber schreiben, eine ganze Doktorarbeit. Und da gibt es sicherlich schon ganz viel Research zu, aber halt immer auf unterschiedliche Bereiche. Was macht denn Diskriminierung, Ausschluss mit Menschen, wenn sie nicht mitgedacht werden? und ich bewege mich ja sehr viel im, Das Konzernumfeld, da komme ich her aus Corporate Deutschland und deswegen sind ganz viele meiner KlientInnen auf dieser Welt große Organisationen und das sind die Orte, wo ich versuche, Wandel voranzutreiben, weil ich glaube, dass ich da viel Impact haben kann. Ich mache auch Eins-und-Eins-Beratung, aber ich finde gerade mit Gruppen zusammenzuarbeiten und da Gruppendynamiken zu sehen. Und da ist es eigentlich immer so. Dass ich die gleichen Dinge höre, dass sich Menschen plötzlich gesehen fühlen, wenn sie mitgedacht werden. Und wenn das bedeutet, dass die Sprache inklusiv ist, was bedeutet, dass ich nicht nur über Vater, Mutter, Kind spreche, dass ich nicht nur über Eltern spreche, denn es gibt auch Caregiver. Da muss ich mir überlegen, was es denn für einen schönen Begriff gibt in deutscher Sprache. Aber all diese Menschen, die sich um Familie, um Kinder, um Angehörige kümmern. Das ist ja viel größer als nur Vater, Mutter, Kind. Und wenn das nicht mitgedacht wird, und bleiben wir jetzt mal beim Arbeitskontext. Ja, was ist denn dann mit einer alleinerziehenden Mutter wie mir, die im Konzern arbeitet? Dann finden wir das in der Sprache wieder. Dann wird mir die Frage gestellt, okay, du bist jetzt mit einer Frau zusammen, habe ich verstanden. Wer hat denn da die Hosen an? Ja, da geht es ja wieder um diesen Vater. Der hat ja die Hosen an. Der gibt den Ton. An der entscheidet, welches Auto gekauft wird, wo in Urlaub hingefahren wird etc. Ich übertreibe es natürlich, das ist natürlich nicht so, aber das ist so die Vorstellung, die wir haben. Und alleine diese Sprache macht etwas mit mir. Und jetzt bin ich wirklich auf einer Mikroebene. Man spricht ja von Mikroaggression, was aber ja nur heißt, aus den Sozialwissenschaften, dass es nicht strukturell makro ist, sondern mikro, so auf persönlicher Ebene passiert. Aber die Auswirkungen sind verheerend. Was ist denn, wenn ich ins Büro gehe und nicht... erzählen kann, wie ich zu Hause lebe, wie mein Familienmodell ist, dass ich vielleicht nicht heteronormativ bin. Und da gibt es ja unzählige Studien zu, wie viele Menschen gar nicht sagen können, dass sie schwul sind, dass sie queer sind, dass sie um Himmels Willen aromantisch sind, dass sie nicht die übliche sexuelle Anziehungskraft haben wie alle anderen. Dann bist du Stehst du außen vor, dann kannst du nicht mitdiskutieren, dann hast du auch kein Verständnis. Und das ist nur die Kommunikation. Dann kann ich noch einen Schritt weiter gehen. Durfte ich Homeoffice machen? Nein. Das war noch vor Covid. Das fasse ich mir an den Kopf. Ich durfte als alleinerziehende Mutter mit zwei Jobs, durfte ich nicht von zu Hause arbeiten. Also musste unfassbar lange pendeln, um an meine Arbeitsstätte anzukommen, weil ich musste irgendwo in der Nähe meiner Eltern leben, damit die mich unterstützen. Ha, ich hatte ja Eltern. Was ist denn mit all den Leuten wie mir jetzt? Ja, ich habe zwar eine Ehefrau und wir haben drei Kinder, aber wir haben null, sag ich mal, Kern, Nuclear Family. Wir werden ja gar nicht mitgedacht. Was ist denn, wenn hier ein Kind krank wird? Und es gibt in den USA nur fünf Kranktage. Und das kann ich jetzt natürlich auch auf Deutschland beziehen. Also ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, zu sagen, was das für Folgen hat, wenn Perspektiven nicht mitgedacht werden, wenn sie nicht existieren. Meine Frau hat eine schöne Geschichte geschrieben, kann ich mal ein bisschen anteasern, wie sie überhaupt... zur Mutterschaft gekommen ist. Sie hat nämlich, als sie aufgewachsen ist, als lesbische Frau, überhaupt nicht daran gedacht, Mutter zu werden. Sie hat nicht gesehen, dass es da draußen lesbische Frauen gab oder überhaupt lesbische Frauen, die Mutter sind. Das heißt, wen haben wir denn damals als lesbische Vorbilder gehabt? Heller von Sinnen. Okay, wen noch? Gab es denn eine Person, die irgendwie scharf war?
- Speaker #0
Die war halt keine Mutter, glaube ich.
- Speaker #1
Ja, ich weiß es halt noch nicht mal. Vielleicht war sie es, aber sie hätte es vielleicht auch nicht sein können. Also es sind so viele Dinge, die fehlen. Und es heißt ja dieses, du kannst nicht werden, was du nicht siehst. Ja, was heißt das denn für unsere Kinder? Meine Tochter, meine schwarze Tochter war in Köln, wo wir zuletzt gelebt haben, eines von zwei schwarzen Kindern auf einer Schule. In Köln, nicht außerhalb von Köln, in Köln. So viele Kinder. Und sie war eins von zwei schwarzen Kindern. Was macht das denn mit ihr, wenn sie dann das Schulbuch aufmacht und dort keine Repräsentation ist? Was macht das denn mit ihr, wenn sie in der Kita ist und alle anderen Kinder sind Elsa und sie weint, weil sie andere Haarstruktur hat, andere Hautfarbe und diese nicht haben will? Also ich muss glaube ich hier einfach mal einen Punkt machen. Es hat so viele Auswirkungen, strukturell, mental, finanziell. Ich habe noch gar nicht über Behinderung gesprochen, aber es sind so viele. Bereiche, die das berührt, wenn diese Perspektiven in den Köpfen der Menschen nicht vorhanden sind. Oder wenn halt es nur diese eine Vorstellung gibt. Vater, Mutter, Kind. Und natürlich, der Vater ist Hauptverdiener und die Mutter ist vielleicht halt aber eigentlich ja die, die zu Hause ist und sich um die Kinder kümmert.
- Speaker #0
Und was du auch gesagt hast, also selbst wenn dann Lebensrealitäten existieren, die von dieser Norm abweicht, versucht man die trotzdem ja in diese Norm reinzuquetschen. Also dann die Frage, wer hat denn die Hosen an? Das ist ja im Grunde genommen trotzdem ein Ball zu nehmen und irgendwie trotzdem ins Quadrat reinzuquetschen, weil es muss alles da reinpassen. Was da nicht reinpasst, das können wir uns gar nicht vorstellen. Und ich weiß nicht, ob das so eine Obsession oder so vielleicht.
- Speaker #1
Ich glaube, es ist eine fehlende Vorstellungskraft, ein fehlendes Gelernthaben. Und ich muss gerade lachen, weil du sagst, ich habe gesagt, Hose an. Die Frage tatsächlich, die mir gestellt wird, ist, wer ist denn der Mann in der Beziehung? Ich kriege die Frage gestellt, wer ist denn der Mann in der Beziehung? Also eine Beziehung kann nicht existieren, wenn es da keinen Mann gibt. Eine Frau, eine Mutter kann keine Mutter sein, wenn da nicht ein Mann zu Hause ist. Alleinerziehende Frauen, das geht halt nicht. Da ist ja was defekt, wenn sie dann auch noch sagen, ich mache das bewusst. Das ist ja, also es wird, ja genau, es ist also eine fehlende Vorstellungskraft, weil es nicht gelernt wurde, dass es eine Option ist, weil diese Option nie genannt, erwähnt oder mitgedacht wurde.
- Speaker #0
Und gleichzeitig ist dieses Bild von Mutter, Vater, Kind ja einfach, also ich glaube, wenn man sich das so, also ohne dass ich jetzt Spezialistin bin, aber wenn man sich das wahrscheinlich evolutionär geschichtlich angucken würde. Dann hat es wahrscheinlich in der Höhle vor 30.000 Jahren nicht irgendwie eine Höhle mit Mutter, Vater, Kind gegeben, sondern da haben wir ja irgendwie, also wir, also unsere Vorfahren, haben ja komplett anders, also hatten ja eine ganz andere Lebensrealität. Und im Grunde genommen, wir merken ja auch heute, es ist ja gar nicht machbar, es ist ja gar nicht zu schaffen, Kinder zu haben in so einer Konstellation. Man braucht ja dieses Netzwerk oder was du auch Community nennst in deinem Buch. Also anders ist es ja nicht machbar und im Grunde genommen wird uns ja nicht nur vorgegaukelt, das ist Normalität, also die Norm, das ist die Normalität, so muss es aussehen, Mutter, Vater, Kind, sondern das ist ja sogar noch was, was gar nicht realistisch ist. Das ist einfach gar nicht machbar. Und das ärgert mich dann fast. Also das ist die Kirsche auf der ranzig gewordenen Sahne auf dem vergammelten Kuchen, wo man einfach... sich nur noch fragt, was soll das und wo geht es auch in Zukunft hin?
- Speaker #1
Da habe ich gerade noch einen Gedanken dazu, was du gerade sagst. Und jetzt hoffe ich, dass er nicht schon wieder aus dem Kopf gefallen ist. Weil du eben die Frage gestellt hast, was macht das denn mit den Menschen? Du hast gesagt, dass es ja gar nicht machbar ist. Das ist ja so diese, die große Lüge, dieser riesen Trugschluss. Das heißt, ein Beispiel steht nicht im Buch, aber ich gebe es noch oben drauf. Zwillingsschwangerschaft, das ist Ausnahmezustand. Jede einzelne Schwangerschaft ist ein Ausnahmezustand. Ich weiß, es gibt Menschen, die sagen, ah ja, ich hatte eine angenehme Schwangerschaft. Gibt es? Ja, ja, aber es gibt halt noch mehr. Und meine Schwangerschaft war ein Ausnahmezustand. Künstliche Befruchtung bedeutet die Einnahme vieler Hormone, also viel, viel Priming, viel Überwachung, viel Kontrolle. Dann war ich schon älter, Hochrisikoschwangerschaft. Die Zwillinge haben sich an die Plazenta geteilt, auch Hochrisikoschwangerschaft. Es waren so viele Faktoren. Dann habe ich die Zwillinge bekommen. Ich habe sie auf, man nennt das, natürliche Weise bekommen.
- Speaker #0
Vaginal meinst du?
- Speaker #1
Ja, was für ein Begriff. Vaginal, genau. Nicht über Kaiserschnitt. Achso, diese ganzen Begrifflichkeiten, die müssen wir dekonstruieren. Kaiserschnitt. Excuse me. Auf jeden Fall haben ja da schon gebärende Personen diesen Druck. Das ist das Optimum. Und wenn du das nicht hast, dann bist du Versagerin. Der nächste Step. Ich wollte stillen und dazu haben wir auch eine schöne Geschichte. Der Druck war für mich so groß. Ich wollte nicht abstillen, weil es ist ja das Beste für mein Kind. Aber es ist vielleicht gar nicht machbar für mich in dieser Situation, in der ich bin. Und darüber reden wir nicht. Darüber haben wir zu wenig Informationen. Da wird sogar aus ärztlicher Sicht nicht das Richtige kommuniziert und erzählt. Dass ich mich letzten Endes als komplette Versagerin fühle und so intern struggle. Und dann natürlich meine Familie nicht happy mache, meine Kinder nicht happy mache, weil ich nur am Verzweifeln bin. Und das ist dieser Druck, den wir irgendwie versuchen nachzueifern. der uns einfach mental nochmal so fertig macht. Und dann wollte ich halt nach einem Jahr Postpartum, also ein Jahr nach Geburt, diesen Körper wiederhaben. Dieses Narrativ, was ist das denn? Ich kann doch keinen Körper wiederhaben, weil der Körper verändert sich und das ist okay so. Wer kommt denn auf diese Idee von Begrifflichkeiten wie Bikini-Diät und ich weiß nicht was? Also es ist ja alles einfach nur furchtbar. Und die Furchtbarkeit... ist exponentiell für all die Menschen, die nicht dem Vaterbild, das du eben beschrieben hast, entsprechen. Weil der ist cool. Es ist egal, wie der aussieht. Und der hat das ja auch alles nicht und der stillt ja auch nicht in der Regel. Also das ist nochmal so ein Ding. Das ist ja so verheerend. Das funktioniert ja gar nicht.
- Speaker #0
Und ich glaube, das ist ja so ein bisschen... Ich weiß nicht, ob es vielleicht so ein kapitalistischer neoliberaler Ansatz ist, dass man dann, du hast gerade gesagt, dann fühlt man sich schlecht, weil man ja, du wirst ja dem Standard oder diesem Maßstab, du wirst dem nicht gerecht, ist es aber gleichzeitig, man wird eigentlich verarscht. Also wird gesagt, das ist der Maßstab, dem musst du irgendwie gerecht werden, du wirst dem nicht gerecht, weil es einfach nicht möglich ist und am Ende fühlst du dich schlecht, aber du denkst natürlich, ich habe hier versagt, alle anderen kriegen es hin, weil was ich gezeigt habe. bekomme in den Medien und überall ist natürlich, dass alle anderen es hinkriegen und nur ich habe es nicht hingekriegt.
- Speaker #1
Und kauf noch Produkte, damit du es hinkriegst. Weil dann, wenn du das Produkt kaufst, wenn du das machst, dann funktioniert das ja.
- Speaker #0
Tatsächlich meine Schwiegermutter hat damals zu mir gesagt, ja, du sollst auf jeden Fall stillen, weil stillen ist gratis. Und ich war so, oh, ich bin Schnäppchenjägerin, stillen ist gratis, richtig gut. Mach ich. Aber also, wir mögen uns gerne und das war wirklich, habe ich tatsächlich nicht als grenzüberschreitend wahrgenommen, sondern wir haben drüber gesprochen, sie meinte, es ist gratis. Und dann habe ich gedacht, okay, still mal. Und es war absolut gar nicht gratis, was ich alles gekauft habe. Hier Stillkleidung, Still-BHs, Pumpe, irgendwelche Hütchen, dann irgendwelche Cremes, weil es war absolut gar nicht gratis. nahezu gratis war, war dann tatsächlich einfach auf die Flasche umzusteigen. Aber wo ich dachte, krass, ja, dieses Geld ausgeben, konsumieren, also dieser kapitalistische Ansatz ist einfach auch sehr gut verankert in diesem Familienbild. Vorhin hast du auch gesagt, dieses Normative der Vater ist der Brötchenverdiener. Also man sagt ja noch nicht mal Brötchenverdienerin oder so. Das ist ja eigentlich ein männlicher Begriff, ist der Brötchenverdiener. Und auch das ist ja eigentlich eine Ausnutzung von irgendwelchen, also von die Sorgenden. Ich weiß nicht, ob man die Menschen vielleicht so nennen kann, die Caretakers, die Sorgenden. Klingt komisch, ne? Aber von Menschen, die sozusagen die Sorgearbeit dann einfach gratis erledigen und sich dabei kaputt arbeiten teilweise auch einfach. Zurück zu deinem Buch. Was für Beiträge erwarten mich denn, wenn ich jetzt dieses Buch lese? 38 Stück. Kannst du ein paar Beispiele nennen, welche dich vielleicht besonders berührt haben oder die dir ganz besonders im Kopf geblieben sind?
- Speaker #1
Das ist fies, so eine Frage zu stellen, weil das gibt es gar nicht. Das mag vielleicht tagesform abhängen, welcher Text vielleicht gerade mit mir resoniert. Aber das wäre ganz unfair zu sagen, das sind meine Lieblingsbeiträge. Die gibt es tatsächlich nicht. Aber ich kann vielleicht zur Entstehungsgeschichte. Ich habe halt... mit vielen Menschen gesprochen und ich habe wahrscheinlich mit über 50 Menschen gesprochen und wir haben immer eine halbe Stunde vereinbart und die meisten Gespräche gingen über eine Stunde. Das heißt, ich habe viele Geschichten gehört, auch Geschichten, die ganz toll in dem Buch gewesen wären, aber im Prozess haben die Menschen gemerkt, das ist zu krass, ich kriege es nicht hin, ich kann das nicht zu Papier bringen oder ich habe es auf Papier gebracht, ich möchte das und kann das nicht teilen. Also da gab es alle Varianten. Aber vor allem halt auch Menschen, die gar nicht dann die Kapazität hatten, sich hinzusetzen und zu schreiben, weil sie vielleicht sozioökonomisch benachteiligt sind und auch mental die Kapazitäten nicht haben, das zu Papier zu bringen. Aber trotzdem hat sich dann über die Zeit, wo die Beiträge zusammenkamen, ganz natürlich, ohne dass ich gesagt habe, ich brauche aber noch eine Geschichte zu Geburt, hat sich da so ein... so einen Rahmen gebildet. Und ursprünglich sollte es tatsächlich um Kinderkriegen gehen. Das war so in meinem Kopf, weil das war ja auch das, was so die Idee zum Buch ausgelöst hat. Und dann ist aber die Thematik breiter geworden. Und dann habe ich gesehen, hey, das hat alles mit Familie zu tun oder alles mit Dingen, die Familie berühren. Und der Rahmen, von dem ich jetzt sprach, Der zieht sich vom... Also Kinderwunsch, also ich habe die Idee, ein Kind zu bekommen, möchte ich überhaupt ein Kind bekommen? Über das Thema Schwangerschaft, das sind zum Beispiel meine Zwillingsschwangerschaft in den USA dabei. Bei dem Thema Schwangerschaft haben wir Pränataldiagnostik, ein Transmann, der schwanger gewesen ist, Menschen, die neurodivergent nicht binär sind, Depressionen in der Schwangerschaft. Das sind halt alles Themen, die finden wir nicht mit einem Klick. auf Instagram, wenn wir sagen, Kinderwunsch. Dann, ach ja, ich bin jetzt schon weitergegangen zum Thema Schwangerschaft, genau, was dann so chronologisch darauf folgt, nach dem Kinderwunsch, das Thema Geburt. Das Thema, was nach der Geburt passiert, wo ich eben meinte, das Thema Stillen, das Thema After-Baby-Body, also wie sieht denn mein Körper nachher aus. Wir haben das Thema Brustkrebs dort auch vertreten. Und dann kommen die nächsten drei Kapitel und das ist dann einmal Parenting. Da haben wir lange überlegt, das gibt es vielleicht noch für Begriffe. die wir dafür nehmen können, für dieses Sorge tragen. Auch nicht nur im klassischen Sinne, aber wir haben es Parenting genannt. Und da sind Themen drin wie Mom-Shaming, Patchwork. Was ist überhaupt eine gute Mutter? Auch wieder das Thema Elternteile mit Depressionen. Und dann kommt das nächste Kapitel Identität. Und da haben wir zum Beispiel ein Interview, wo es um biracial relationships geht, also Beziehungen, die so sind wie die meine, wo eine Person rassifiziert ist, von Rassismus negativ betroffen ist und eine andere Person weiß ist. Trauma, Männlichkeit, bilinguales Erziehen von Kindern. Und dann haben wir noch ein letztes Kapitel, da geht es um das Thema Beruf oder Berufung. Alleinerziehend Eltern sein, Vater in Elternzeit, eine Person erzählt über das Erzieher-In-Sein, es geht um Trauerbegleitung. Insofern ist das so der Rahmen und wenn die Menschen sich dann das Buch nehmen, müssen sie gar nicht von vorne anfangen, wo es zwei Vorworte gibt, einmal von mir und Ilyas, dem Co-Autor. Das heißt, ich spreche immer von wir und es gibt halt zum einen Ilyas und zum anderen noch Cee in meinem Team. Das sind Menschen, die ganz wesentlich mich unterstützt haben bei der Entstehung des Buches und bei all dem, was jetzt marketingtechnisch bei uns passiert. Deswegen nenne ich diese Personen auch. Und genau, ich kann die Frage nicht beantworten, was waren so Texte, die mich besonders berührt haben. Ich fand halt, im ersten Moment habe ich ja erstmal gelesen und passt so. Und als ich dann die Druckfahnen und so bekommen habe und die Geschichten öfter gelesen habe und dann verschiedene Geschichten gelesen habe, dann dachte ich, und das muss ich mal kurz sagen, holy shit, also es war wirklich, wow, was sind das denn für krasse Geschichten. Und jede Geschichte ist auf ihre Art und Weise ganz anders, besonders. Die Lesenden in jeder Geschichte einen Punkt finden, wo sie sagen, ja, das habe ich doch auch gedacht oder davon habe ich doch schon mal gehört. Also dass da ganz viel Verbindung geschaffen wird. Auch wenn Menschen vielleicht denken, ach, das ist ja eine Person, die ist ganz anders, hat einen ganz anderen Lebensentwurf wie ich. Aber dass da Verbindungen geschaffen werden und das ist empowernd, weil dann weiß ich, ich bin nicht alleine.
- Speaker #0
Ich finde, jede Geschichte ist so wie per Anhalter fahren mit einer anderen Person. Also man steigt irgendwie in so ein Auto ein und... fährt irgendwie 15 Minuten zusammen und in der Zeit erfährt man was über die Person und dann steigt man wieder aus und dann steigt man beim Leben. Also ich weiß nicht, ob es eine gute Analogie ist, aber ich habe mich gefühlt, als würde ich Anhalter fahren und mit vielen spannenden Menschen tatsächlich ins Gespräch kommen. Also diese Verbindung, die du gerade genannt hast, die finde ich, das merkt man tatsächlich, deswegen sozusagen, als würde man im Gespräch sein, passt mit den Menschen. Du hast jetzt gerade noch den Begriff Empowerment genutzt und das ist vielleicht ein... Auch meine abschließende Frage für die heutige Episode. Du schreibst über Community und Empowerment und beides ist dir sowohl im Buch und auch in der Entstehungsgeschichte des Buches wichtig, aber natürlich auch in deinem beruflichen Ansatz, wie du arbeitest und so. Ich höre immer wieder diese Begriffe auch bei Social Media von dir, immer wieder Community und Empowerment. Und warum ist das so wichtig, also diese beiden, also vielleicht erst mal, was ist das, Community und Empowerment und warum ist beides so wichtig, wenn wir... über Familie und auch über Familienformen sprechen und über Liebe sprechen, die diesen heteronormativen, patriarchalischen Normen nicht entsprechen.
- Speaker #1
Ja, also Community ist tatsächlich auch ein Wert, ein Unternehmenswert, aber halt auch ein persönlicher Wert von mir. Und damit meine ich Familie, damit meine ich Chosen Family. Das ist eigentlich so das, was ich von der Begriff, den ich unter Familie verstehe. dass ich gar nicht, ja man spricht ja von dieser Nuclear, dieser Kernfamilie, ja, also ich wurde auf die Welt gebracht von einer Person und das ist dann meine biologische Mutter. Ich kenne meine biologische Mutter zum Beispiel gar nicht. Ich bin adoptiert. Das heißt, da habe ich schon eine andere Auffassung von, was Familie sein kann und Familie ist und wie ich zu dieser Familie gehöre als schwarzes Kind in einer weißen Familie. Also ich glaube, mein Leben ist schon so gestartet, dass ich mir die Frage stellen muss, wer gehört dazu? Und ich gehörte nie zu Deutschland, zu der Community Deutschland, wo ich geboren wurde. Und deswegen ist es, glaube ich, für mich immer wichtig gewesen. mir meine Community zu schaffen, meine Community zu finden. Und das ist nicht automatisch, sondern da muss ich was für tun. Und es gibt auch nicht die eine Community, doch, die gibt es, aber es gibt grundsätzlich nicht halt eine Community, wo du komplett safe bist. Das ist tatsächlich bei mir hier mein Zuhause. Also sobald ich die Haustür verlasse, bin ich nicht mehr safe und werde halt irgendwie zu anderen gemacht. Aber ich habe unterschiedliche Communities. Ich habe Anschluss zur schwarzen Community, wo das Verständnis zu den Themen Rassismus besprechbar ist. Da muss ich mich nicht erklären. Da sitzen dann Menschen, die nicken, wenn ich erzähle und sehen mich und verstehen mich, stellen das nicht in Frage. Dann gibt es Communities der LGBTQIA Menschen, wo Queerness die Norm ist, wo ich mich nicht erklären muss. Da kann es aber sein, dass mir Rassismus widerfährt. Also es gibt halt für mich unterschiedliche Communities, für unterschiedliche Zwecke, Purposes, für unterschiedliche Interessen. Und es ist für mich wichtig, dass es das gibt. Und da arbeite ich auch intensiv dran, das aufzubauen und zu haben. Es gibt für mich auch eine berufliche Community oder ein Netzwerk. Das versuche ich auch zu pflegen und nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben. Es ist also ein Mutual Understanding, ein gegenseitiges Zusammensein. Das ist mein Verständnis von Community. Und das geht halt über den Begriff Familie hinaus. Das kann im professionellen Kontext so sein, aber auch im Freundinnenkreis. Und den Begriff Empowerment, den verbinde ich mit Oder was verstehe ich unter dem Begriff Empowerment? Ja, ich glaube so im klassischen Sinne Hilfe zur Selbsthilfe oder Selbstermächtigung, dass ich Dinge lerne, damit ich besser klarkomme, damit ich eigenständig bin, damit ich Handlungsfähigkeit habe, damit ich wachsen kann, damit ich scheinen kann. Also das ist so für mich Empowerment. Und das hat ganz viel mit meiner Politisierung wieder so ein Frieden. Fremdworte zu tun, also mit meinem Erwachen. Im Kontext von Rassismus habe ich als Kind nicht verstanden, was ist Rassismus, weil meine Eltern mir das nicht mit auf den Weg gegeben haben, die Schule ohnehin nicht. Also das habe ich erst im Zusammensein mit anderen rassifizierten Menschen erlebt. Und das war ein empowernder Moment, weil ich gelernt habe, Dinge verstanden habe. gesehen habe, verstanden habe, ach, das ist strukturell, das ist also in unseren Strukturen überall und nicht ich, das bin nicht ich, das ist nicht persönlich gegen mich. Und das ist empowernd, diese Dinge zu verstehen, Bewusstsein schaffen ist empowernd. Und letzten Endes, alles ist ja miteinander verbunden und Community und Empowerment, das ist für mich eins. Also eine Community ist für mich reines Empowerment. Und Empowerment geht nicht, wenn du um eine Person bist, sondern es müssen mindestens zwei Personen sein. Und dann hast du, glaube ich, noch eine Frage gestellt im Kontext des Buches. Was war das nach den Begrifflichkeiten?
- Speaker #0
Achso, genau, wie auch Community und Empowerment auch im Entstehungsprozess mit den AutorInnen des Buches einfach auch ein wichtiger Teil des Prozesses war.
- Speaker #1
Also ich glaube, man kann ja auch mit Community unter Community ein Netzwerk verstehen. Also Menschen, die miteinander verbunden sind. Und bei dem Buch war es aber häufig dann so, dass Menschen dann andere Menschen vorgeschlagen haben und gesagt haben, ich kenne da wen. Und ich kannte natürlich viele Menschen, aber ich kenne natürlich viele Menschen nicht, weil wir uns in Bubblen bewegen. Und das meine ich mit aktiv. Wir müssen da mal aktiv ran. Wir müssen gucken, wen gibt es denn nicht in meinem Netzwerk? damit ich Perspektiven lerne. Und das war bei der Erstehung. Bei der Entstehungsgeschichte des Buches ist ein ganz, ganz großer Teil dieses Schau mal über den Tellerrand hinweg, wen gibt es noch? Und dann war es tatsächlich auch so, dass ich nicht nur gesagt habe, okay, schön, dass du dann dabei bist, schick mir doch mal deinen Beitrag und dann tschüssi, vielleicht im nächsten Jahr gibt es dann das Buch, sondern ich habe mich da committed und gesagt, ihr AutorInnen gebt mir ja ganz viel Intimität, ganz viel Liebe. Also ihr schüttet euer Herz aus in diesen Geschichten. Was kann ich denn für euch tun? Und da es halt ganz unterschiedliche Menschen waren, mit ganz unterschiedlichen Bedarfen habe ich diese Menschen zusammengebracht. Es gab mindestens monatliche Austausch-Calls virtuell, wo die Menschen zusammengekommen sind. Und das habe ich in einem, sage ich mal, speziellen Rahmen facilitated, also geführt, diese Calls, wo es einen Check-In gab. wo die Menschen die Möglichkeiten hatten, über Chat beizutragen oder sprechen, mit Kamera an oder aus, so wie sie es halt brauchten, wo sie die Möglichkeit hatten, sich vorzustellen, ein bisschen vielleicht auch zu teilen, warum sie dabei sind, was sie auch brauchen von der Community oder was nicht und wo jedes Mal halt ein Raum entstanden ist, wo dann abgefragt wurde, worüber wollen wir sprechen, was brauchen wir? Und dann konnten wir uns gegenseitig austauschen, empowern, bestärken. Wir konnten Community leben. Und meistens war das Feedback, ah, wie schön, wieder hier zu sein. Auch wenn das verschiedene Menschen waren. Wir haben auch zwei sehr privilegierte weiße Dudes mit unter den Autoren. Sind alle Menschen mit Wohlwollen dort gewesen. So ein bisschen Utopia, was wir da aufgebaut haben. Das sind so diese Räume, wo du nicht reinkommst. Und die Leute, die was an den Kopf werfen.
- Speaker #0
Du hast ja eben auch so Community, auch so ein sicherer Ort, so einen Raum, wo ich irgendwie sein kann, zumindest in einigen Facetten, die mir sehr wichtig sind, wie ich bin und wo ich irgendwie akzeptiert werde, wo ich mich nicht ständig erklären muss. Und das klingt sehr nach so einem Raum.
- Speaker #1
Ja, und es ist so krass, dass dieser Raum entstanden ist. Und das habe ich ja nur den Menschen zu verdanken, die da sind. Und natürlich meiner Brillant. und ein Facilitator stärke, muss ich ja auch mal dazu sagen. Das ist ja so ein bisschen, wie es in den Wald hineinruft. Und auch wenn ich letztens noch den Spruch bekommen habe, ich habe da irgendwo gelesen bei Social Media, dass du selber schreibst, dass du ein tolles Buch hast. Das ist ja so, als wenn, das war übrigens ein Dude, ein Weißer, der hat gesagt, das ist ja so wie ein Chefkoch, der sich ins Restaurant stellt und sagt, mein Essen ist das Tollste. Wo ich mir denke, das macht doch jeder Chefkoch.
- Speaker #0
Ja.
- Speaker #1
Das war mir dahingestellt. Das war wieder Maßstab Mann und Frau. Eine Frau darf nicht sagen, wie toll sie ist. Deswegen sage ich das hier nochmal ganz explizit, dass ich ganz tolle Skills habe. Aber zurück zu der Community. Es ist wirklich fantastisch, diese Menschen, die sich eingebracht haben bis zum heutigen Tag, sich gegenseitig unterstützen. Man kann eine Nachricht schicken und sagen, hey Leute, ich brauche. Und natürlich sind nicht mehr alle ganz so aktiv dabei wie vor zwei Jahren, wo wir das Projekt oder vor Jahren. zweieinhalb Jahren, wo das Projekt gestartet ist. Aber wir wissen, wo wir uns finden. Und wir haben uns jetzt mal gefunden. Und wir wissen, dass wir uns wieder bei Menschen melden können. Und das ist auch ein ganz großes Geschenk. Deswegen jetzt nochmal Shoutout an euch da alle, die da mitgemacht haben. Ihr seid wunderbare Menschen und ich bin so dankbar, euch kennengelernt haben zu dürfen oder zu kennen.
- Speaker #0
Und mit Blick auf die Zeit mache ich jetzt einen richtig uneleganten Move und sage, dass ich dir dankbar bin, dass du heute in meinem Podcast warst. Und alle, die zuhören, lade ich natürlich herzlich ein, Ellen Wagners Buch zu kaufen und zu lesen und ganz, ganz viele tolle, spannende Einblicke in ganz viele unterschiedliche Lebensrealitäten zu erhalten. Ich danke dir, Ellen. Tschüss.
- Speaker #1
Ich danke dir, Lena. Tschüss. Musik